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NABU: EU reißt der Geduldsfaden
Deutschland droht doppelte Klage wegen Versäumnissen in der Agrarpolitik
Miller: Wiesen und Weiden in ökologisch katastrophalem Zustand, peinliche Flickschusterei beim Düngerecht

Brüssel/Berlin – Erneut steht Deutschland wegen massiver Versäumnisse in der Agrarpolitik am Pranger: Am heutigen Donnerstag hat die EU-Kommission gleich zwei Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik eröffnet. Brüssel kritisiert darin den ökologisch katastrophalen Zustand von Wiesen und Weiden sowie die weiterhin unzureichende Umsetzung des Düngerechts. „Die Verfahren zeigen erneut: Deutschland versagt beim Schutz der Natur vor der eigenen Haustür“, kritisierte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.

Mit dem neu eingeleiteten Verfahren zu Wiesen und Weiden bestätigt die EU eine Beschwerde, die der NABU bereits 2014 in Brüssel eingereicht hat. Vor allem die artenreichen Teile des so genannten Grünlands verschwinden hierzulande in rasantem Tempo. 80 Prozent der Lebensräume auf Wiesen und Weiden sind in Gefahr, 35 Prozent sogar von vollständiger Vernichtung bedroht. Die Folge: Das Insektensterben wird massiv angeheizt.

„Lebendige Wiesen und Weiden sind für unsere Artenvielfalt so wichtig wie die Regenwälder Südamerikas. Doch Deutschland hat es jahrzehntelang zugelassen, dass wertvolle Wiesen verschwanden und heute nur noch Graswüsten sind. Damit wurde das Rückgrat unserer Artenvielfalt systematisch zerstört“, so NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.

Wiesen und Weiden machen fast 14 Prozent der deutschen Landesfläche aus. Mehr als zehn Prozent von ihnen sind europarechtlich geschützt. Als Kohlenstoffspeicher sind sie im Kampf gegen die Klimakrise unerlässlich, hier leben zudem 40 Prozent aller in Deutschland auf der Roten Liste stehenden Arten. Die Bundesregierung hat nun zwei Monate Zeit, in Brüssel konkrete Lösungen für den besseren Grünlandschutz auf den Tisch zu legen. Andernfalls droht im schlimmsten Fall die Klage vor dem Europäischen Gerichtshof – und mögliche Strafzahlungen in Milliardenhöhe, wie aktuell beim Düngerecht.

„Bund und Länder müssen jetzt dringend handeln, um artenreiche Wiesen und Weiden besser zu schützen“, so Miller. Notwendig sind dazu spezielle Förderprogramme für Landwirte, die blühende Wiesen und Weiden pflegen wollen. Solche Programme existieren zwar bereits, sind aber meist mit zu wenig Geld ausgestattet. „Und in Naturschutzgebieten muss gelten: kein Gift, weniger Dünger und weniger Tiere pro Fläche. Andernfalls wird der Begriff Naturschutzgebiet ad absurdum geführt“, so Miller.

Auch beim Dauerthema Düngeverordnung reißt der EU-Kommission nun offenbar der Geduldsfaden. Die Kommission kritisiert die zuletzt vorgelegten Nachbesserungen der Bundesregierung als wissenschaftlich nicht ausreichend begründet. Außerdem fordert sie einen Gesetzentwurf, der ebenfalls in den kommenden acht Wochen vorliegen muss. „Diese Flickschusterei beim Düngerecht ist hochgradig peinlich. Mit ihrer Untätigkeit schadet die Bundesregierung nicht nur unserem Grundwasser, sondern auch den Insekten. Und den Landwirten fehlt weiterhin jede Rechts- und Planungssicherheit“, so Miller.

Aufgrund der Versäumnisse Deutschlands sei es umso wichtiger, dass die EU konsequent als Hüterin der Gesetze auftritt. So habe der scheidende Umweltkommissar Karmenu Vella beide Verfahren – und weitere gegen andere Mitgliedstaaten – als eine seiner letzten Amtshandlungen umgesetzt. Auch die designierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen muss nach Ansicht des NABU dafür sorgen, dass alle Mitgliedstaaten die EU-Umweltgesetze konsequent umsetzen, im Sinne des Gemeinwohls. Dies sei auch Wunsch der Bevölkerung: Bei der Europawahl haben sich die Wähler für eine starke EU ausgesprochen, in der Klima- und Naturschutz Priorität haben. Verfahren gegen Mitgliedstaaten müssen zudem deutlich schneller ablaufen – denn auch die Artenvielfalt verschwindet in enormem Tempo.

Um den Durchbruch zur Rettung der Artenvielfalt zu erzielen, sei ein Schritt zwingend notwendig: eine grundlegende Reform der EU-Agrarpolitik. Die EU müsse ihre bislang umweltschädliche Subventionsverteilung beenden und stattdessen jene Landwirte belohnen, die naturverträglich arbeiten und damit die Artenvielfalt und unsere Lebensgrundlagen schützen. Für die Förderung dieser konkreten Naturschutzleistungen von Landwirten müssen EU-weit künftig mindestens 15 Milliarden Euro pro Jahr bereitstehen.

NABU-Beschwerde zum Verlust von artenreichem Grünland (April 2014) ...
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Eintrag vom: 26.07.2019  




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