Mit der ostwestfälischen "Lippischen Palme" wird erstmals eine regionale Grünkohlvariante in die "Arche des Geschmacks" von Slow Food Deutschland aufgenommen.
Mit der Aufnahme der Lippischen Palme als 71. Arche-Passagier möchte Slow Food den Fortbestand dieses Grünkohls sichern, indem mehr Menschen ihn wieder zu schätzen wissen, nachfragen und auch selber anbauen. Die regionale Slow-Food-Gruppe "Südlicher Teutoburger Wald" bringt die Besucher des "Freilichtgenusses" im LWL-Freilichtmuseum Detmold am 1. und 2. September auf den Geschmack des neuen Passagiers.
Als "heimisches Superfood" wiederentdeckt, erfreut sich Grünkohl schon seit geraumer Zeit großer Beliebtheit. Er ist vom Speiseplan bewusst lebender Menschen kaum mehr wegzudenken, als Smoothie-Zutat ist er unentbehrlich. Da aber die meisten Verbraucher nicht um die Grünkohlvielfalt in Deutschland wissen und entsprechend nicht nachfragen, rettet die allgemeine Popularität des Grünkohls regionale Sorten wie die "Lippische Palme" nicht vor dem Verschwinden. "Das Überleben eines Trend-Gemüses wie Grünkohl zu sichern, hat eine gewisse Ironie. Es zeigt aber ,wunderbar' die Doppelmoral unseres Lebensmittelsystems sowie den Nachholbedarf an Verbraucheraufklärung. Denn die Industrie bedient natürlich den Grünkohlbedarf und schreibt sich dabei Regionalität auf die Fahnen. Am Ende aber fördert sie nur die Pflanzen, die mit möglichst wenig Arbeitsaufwand hohe Erträge bringen. Da scheidet die Lippische Palme aus. Mit echter Regionalität hat das nichts zu tun", erklärt Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland e. V. Erst wenn Verbraucher über das Gemüseangebot konventioneller Supermärkte hinausschauen, erblicken sie den wahren Fundus ihrer Region, die Geschmacksvielfalt sowie ihr kulturelles Gut, so Hudson.
Für die Region Ostwestfalen-Lippe war die Lippische Palme identitätsstiftend und blickt als Gemüse- und Futterpflanze auf eine fast 400-jährige Tradition. Die Kultur des Braunkohlessens war in der Region weit verbreitet. Heute hingegen finden die "traditionellen" Grünkohlessen mit anderen Varianten statt. Das, so das Ziel von Slow Food Deutschland, soll sich künftig wieder ändern. Wie der Name verrät, ist die Lippische Palme eine Grünkohlvariante, die besonders hoch wächst - bis zu 1,60 Meter. Genau das gefährdet maßgeblich ihren Fortbestand. Moderne Erntemaschinen können sie nicht fassen, was sie für den gewerblichen Gemüseanbau ungeeignet macht. Dabei spricht alles für sie: Sie ist nicht nur milder im Geschmack als der klassische Grünkohl, sondern aufgrund ihres hohen Gehalts an Anthocyanen auch gesünder. Züchterisch ist sie nie bearbeitet worden, inzwischen vermehren sie nur noch wenige Kohlliebhaber in ihren Privatgärten. "Die Lippische Palme zu halten und zu vermehren ist sehr arbeitsintensiv. Die Gärtner, die das noch machen, sind Überzeugungstäter und wissen genau diesen Kohl zu schätzen. Ihre Begeisterung fasziniert mich jedes Mal aufs Neue. Doch gehören sie fast ausnahmslos der älteren Generation an. Unsere Aufgabe ist es daher, die junge Generation zu gewinnen. Unter ihnen gibt es viele, die sich dem Trend des Gärtnerns und des eigenen Gemüseanbaus verschrieben haben. Das hat Potential und wir hoffen, dass uns die Aufnahme der Lippischen Palme in die ,Arche des Geschmacks' dabei unterstützen kann", erklärt Agnes Sternschulte vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe. Der Verein "Alt Lemgo" hat sich seit vielen Jahren um die Erhaltung der Lippischen Palme bemüht, das LWL-Freilichtmuseum Detmold, das die Variante von einer Privatperson aus Lippe erhalten hatte, vermehrte sie über Jahre.
Für die Museumsbesucher gibt es beim FREILICHTgenuss neben der Verkostung auch die Möglichkeit, die Lippische Palme mit nach Hause zu nehmen. Die Grünkohlsorte wurde in Gläser abgefüllt und kann ab dem 1. September im Museumsshop erworben werden. Weitere Informationen zum FREILICHTgenuss finden online ... |