Tschimpke: Lobbyarbeit des Bauernverbands ruiniert den ländlichen Raum
Berlin/Wiesbaden, 27.6.18 – Anlässlich des heute beginnenden Bauerntags fordert der NABU den Deutschen Bauernverband (DBV) zu einem grundlegenden Kurswechsel in seiner Lobbyarbeit auf. Andernfalls drohen weite Teile des ländlichen Raums zu leblosen Produktionsflächen zu veröden, die weder Mensch noch Tier Heimat bieten. Zudem könnte die milliardenschwere Agrarförderung aus Steuermitteln endgültig ihren Rückhalt in der Bevölkerung verlieren.
NABU-Präsident Olaf Tschimpke: „Unsere Landschaften bluten aus. Vögel verstummen, die Insekten befinden sich im freien Fall, das Grundwasser ist belastet. Umweltverträgliches Wirtschaften lohnt sich für Landwirte nicht. Und immer weniger Bürger sind bereit, dieses fehlgeleitete Agrarsystem zu akzeptieren. Denn wir alle zahlen mit unseren Steuern und Abgaben dreifach dafür: Über EU-Subventionen, die Reparatur der entstandenen Umweltschäden und über Strafzahlungen an den Europäischen Gerichtshof, wenn Deutschland weiterhin Umweltstandards verletzt. Der Deutsche Bauernverband hat dieses System mit aufgebaut und blockiert seither ernsthafte Reformen.“
Die derzeit in Brüssel laufenden Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik für die Jahre 2021 bis 2027 zwingen den Bauernverband und die ihm nahe stehenden Agrarpolitiker nun Farbe zu bekennen. Jetzt besteht die vielleicht letzte Chance, den dringend notwendigen Wandel einzuleiten. Mit dem Budget von über 50 Milliarden Euro pro Jahr könnten Landwirte künftig gezielt dabei unterstützt werden, nachhaltiger zu produzieren. „Stellt sich der DBV aber erneut auf die Seite der Besitzstandwahrer, fährt er die Zukunft der allermeisten seiner Mitglieder sehenden Auges gegen die Wand – von der Natur ganz zu schweigen“, so Tschimpke.
Zum Abschluss des Bauerntags will der DBV eine Positionierung zur künftigen Agrarpolitik vorlegen („Wiesbadener Erklärung“). Diese verspricht allerdings weiteres Beharren auf der Gießkannenförderung per „Basisprämie“ sowie Wehklagen über zu hohe Umweltauflagen und zu niedrige Subventionen. „So gewinnt man nicht die Akzeptanz der Steuerzahler. Es wäre an der Zeit, dass jene Mitglieder des Bauernverbandes aufstehen, die sich eine zukunftsfähige Agrarpolitik wünschen. Sie sollten der Verbandsspitze signalisieren: Weiter so wie bisher geht nicht“, sagte Tschimpke.
Mit Blick auf jüngste Äußerungen des DBV-Präsidenten, der zugleich der europäischen Agrarlobbyorganisation COPA vorsitzt, sagte Tschimpke: „Umweltschutz ist kein lästiger gesellschaftlicher Trend. Vielmehr hat sich die Landwirtschaft extrem zu Ungunsten von Natur und Umwelt entwickelt. Der DBV sollte dies als Herausforderung annehmen, anstatt Fakten zu relativieren und fortwährend andere Schuldige zu suchen.“
Längst liegen Vorschläge auf dem Tisch, wie die Landwirtschaft nachhaltiger werden kann – bei gleichem oder sogar höherem Einkommen für die meisten Landwirte. So könnte die pauschale Förderung nach Fläche ersetzt werden durch eine Unterstützung für Landwirte, die in den nachhaltigen Wandel von Produktion und Vermarktung investieren wollen. Prämien für konkrete Naturschutzleistungen könnten zudem ein verlässliches zusätzliches Einkommen schaffen. Im EU-Haushalt müssten hierfür künftig 15 Milliarden Euro zweckgebunden werden. Noch steht für entsprechende Umschichtungen genügend Geld zur Verfügung.
Ziel des DBV müsse es zudem sein, den Dünger-Überschuss in Deutschland schnell zu reduzieren – dieser ist mitentscheidend für den rasanten Artenschwund und die Belastung des Grundwassers. Denn auch die neue Düngeverordnung wird das Problem nicht beenden, dies bestätigten unlängst Forscher der Universität Kiel. Bislang streitet der Bauernverband jedoch jeden Handlungsbedarf ab, verweist lediglich auf die Zeit, die es richten werde. „In Deutschland werden zweifelsfrei zu viele Tiere gehalten, das gesteht inzwischen auch der DBV öffentlich ein. Die Zahl der gehaltenen Tiere muss sinken und Tierdichten wieder an die Fläche gekoppelt werden. Das wäre ein entscheidender Schritt zur Lösung der Nitrat-Problematik“, so Tschimpke. |