| | | Fessenheim, Leibstadt, Beznau ... | Aus Kataströphchenschutz wird (viel zu langsam) Katastrophenschutz
Das Regierungspräsidium Freiburg hat laut gestrigen Medienberichten die Gemeinden im Radius von 20 Kilometern um die drei grenznahen AKW in Zonen und Sektoren eingeteilt, die im Ernstfall innerhalb einer bestimmten Frist zu evakuieren wären. Wie das genau ablaufen soll, will das Referat für Katastrophenschutz allerdings erst im Laufe des Jahres 2018 erarbeiten. Für Gemeinden am Rande der 20 Kilometer Zone sind "Ausbuchtungen" vorgesehen. Die Kommunen auf dem Grenzgebiet werden der höheren Sicherheitsstufe zugeschlagen. Das gilt auch für die betroffenen Freiburger Stadtteile.
Seit über drei Jahrzehnten drängen der BUND und die trinationale Umweltbewegung am Ober- und Hochrhein, dass aus dem bisherigen, betreiberfreundlichen Kataströphchenschutz endlich Katastrophenschutz wird. Während das Unglück bei der Loveparade 2010 in Duisburg recht schnell in behördliche Planungen bei Großveranstaltungen einfloss und deren Planung und Sicherheitsvorkehrungen enorm veränderte, hatte die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl am 26. April 1986 fast keinen Einfluss auf den Katastrophenschutz in Deutschland. Der Philosoph Günter Anders hat dieses Versagen und den jahrzehntelangen Umgang mit der so genannten "friedlichen Nutzung der Kernenergie" sehr treffend mit dem Begriff der "Apokalypseblindheit" beschrieben.
BUND und Umweltbewegung drängen auf einen realistischen Katastrophenschutz für eine Million Menschen (davon ca. 500 000 auf der badischen Rheinseite) im 30-Kilometer-Radius um das AKW Fessenheim, aber auch für die grenznahen AKW Beznau, Leibstadt und die anderen AKW in Baden-Württemberg.
Die jetzt angekündigte Fortschreibung ist ein schwer zu organisierender, (zu) kleiner Schritt in die richtige Richtung. Die Atomkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima haben die mögliche Dimensionen von Atomunfällen gezeigt, Dimensionen, welche die 20 Kilometer-Radien bei weitem übersteigen. In Fukushima hat in den ersten Tagen des Unfalls eine günstige Windrichtung dafür gesorgt, dass ein Großteil der entweichenden Radioaktivität auf´s Meer geblasen wurde. Hätte der Wind die Wolke nach Tokio getrieben und hätte es dort geregnet, dann wäre die unmögliche Evakuierung der über 10 Millionen EinwohnerInnen notwendig geworden.
Eine Studie des Ökoinstituts Darmstadt im Auftrag der Badisch-Elsässischen Bürgerinitiativen besagt, dass sich bei einem schweren Unfall in Fessenheim und lebhaftem Südwestwind mit Regen eine bis zu 370 km lange Schadensfahne von Fessenheim bis in den Raum Würzburg-Nürnberg erstrecken könnte. In deren Bereich müssten alle Siedlungen auf 50 Jahre geräumt werden, sollten die Richtlinien von Tschernobyl zur Anwendung kommen. Betroffen wären u.a. die Städte Freiburg, Emmendingen, Freudenstadt, Tübingen, Stuttgart, Heilbronn und Schwäbisch Hall. Reale Katastrophen halten sich aber weder an offizielle, noch an kritisch-alternative Notfallschutzszenarien.
So ist die aktuelle Fortschreibung des Katastrophenschutzes mit ihrem 20-Kilometer-Evakuierungsradius tatsächlich ein Fortschritt, der Behörden an den Rand ihrer organisatorischen Möglichkeiten bringt, der andererseits die reale Dimension eines Unfalles immer noch ausblendet.
Die Analyse der bisherigen Atomunfälle zeigt, dass schnelles Abschalten die einzige Lösung ist. Solange die alten AKW noch laufen, braucht es endlich richtigen Katastrophenschutz. | Mehr | | | | Eintrag vom: 25.01.2018 | Autor: Axel Mayer, BUND-Geschäftsführer |
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