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Ausstellungstipp: NATUR UND KULISSE
Vornehme Parallelgesellschaften im 19. Jahrhundert

MUSEUM LA8
Museum für Kunst und Technik des 19. Jahrhunderts, Baden-Baden
25. März bis 3. September 2017

Ab dem 25. März 2017 zeigt das Museum LA8 in Baden-Baden die Ausstellung „Natur und Kulisse. Vornehme Parallelgesellschaften im 19. Jahrhundert“. Zu den spannendsten Neuerungen des frühen 19. Jahrhunderts zählt die bürgerliche Öffentlichkeit. Gewöhnlich wird diese Entwicklung in sozial- und wirtschaftspolitischen Theorien behandelt. Die Ausstellung dagegen fragt nach dem konkreten Ort, an dem sich die Bürger nach dem Ende adliger Misswirtschaft und kirchlicher Bevormundung zwanglos trafen, einander außerhalb der alten Ständeverfassung begegneten, die Wirkung ihrer neuen Kleiderordnung praktisch ausprobierten, sich amüsierten oder auf einer Bank saßen und das Wetter genossen sowie wo sich Geschäfts- oder Liebesbeziehungen anbahnten: dem Park.

Stadtnahe Landschaftsparks sind komplexe Gebilde. Jenseits bäuerlicher oder frühindustrieller Nutzung wird die Natur gärtnerisch eingehegt, nur um sie desto deutlicher als Natur zu inszenieren. Im Park des frühen 19. Jahrhunderts wurde die Natur kompositorisch arrangiert wie in einem Landschaftsgemälde. Der – bis heute andauernde – Reiz für die Spaziergänger war, frei von unmittelbaren Alltagszwecken in passender Kleidung durch das Gemälde zu flanieren, um teilzunehmen am Sehen und Gesehen werden. Der Parkweg wurde zur Bühne, die Natur zur Kulisse.

Mit dem öffentlichen, für alle zugänglichen Kurpark, der nicht mehr mönchischer Kloster- oder höfischer Schlossgarten war, wird für die Ausstellung der neuartig freie Ort lebendig, der Stadt und Landschaft, Zivilisation und Natur, Künstlichkeit und Wildwuchs, Hochkultur und Entspannung harmonisch miteinander verbinden sollte. Zu sehen sind Gemälde von Courbet und Schirmer, elegante historische Kleidung für die Dame und den Herren, Lebenszeugnisse weltberühmter Musiker und Dichter, architektonische und landschaftsplanerische Modelle und Skizzen, in denen die Anliegen und Leidenschaften als Panorama einer Epoche anschaulich werden.

Auffällig sind die Parallelen zwischen Baden-Baden, Wiesbaden, Bad Ems, Karlsbad und anderen Kurorten, in denen das Kuren bald nur eine unter vielen weiteren Aktivitäten und Angeboten wurde. Mit den öffentlichen Parks schuf sich das frühe Bürgertum die angemessene symbolische Form: einen Erlebnis- und Begegnungsraum der vielen Parallelgesellschaften der sich nun ausdifferenzierenden, pluralisierenden Gesellschaft. Im Park an der Lichtentaler Allee in Baden-Baden trafen sich alle: Gäste und Einheimische, Erholungsuchende und Glückspieler, Alt- und Neureiche, Mätressen und vornehme Damen, berühmte Maler wie August Wilhelm Schirmer oder Gustave Courbet, einflussreiche Architekten wie Friedrich Weinbrenner, bedeutende Musiker wie Johannes Brahms oder Clara Schumann (die in Baden-Baden lebte), Dichter wie Fjodor Dostojewski oder Leo Tolstoi, gekrönte Häupter wie Napoleon III., Kaiser Wilhelm I. und Kaiserin Augusta.

Für das Museum LA8 liegt der konkrete historische Ort, an dem all das geschah und der bis heute besucht und besichtigt werden kann, buchstäblich sehr nahe. Das Museum trägt die Lichtentaler Allee als Kürzel in seinem Namen. Mit und in der Lichtentaler Allee erlebte Baden-Baden im 19. Jahrhundert einen atemberaubenden kosmopolitischen und touristischen Aufstieg – ohne spektakuläres Naturwunder wie den Rheinfall in Schaffhausen, eine große Universität oder altehrwürdiges Münster wie in Straßburg oder Freiburg. Im Gegenteil, die Anziehungskraft des Landschaftsparks selbst löste anspruchsvolle Bauvorhaben aus, die sich als Konversationshaus, Grand-Hotel oder Trinkhalle in die Kulisse aus Baumgruppen, Wiesen und sanften Hängen einfügten.

Die Ausstellung entstand in enger Zusammenarbeit mit der Kuratorin Dr. Irene Haberland, Bonn, und ist eine Kooperation mit dem Stadtmuseum Baden-Baden. Zu sehen ist sie bis 3. September 2017, begleitet wird die Schau von einem umfangreichen Essayband mit zahlreichen Abbildungen.
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Eintrag vom: 21.03.2017  




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