Krüger: Klimaschutz geht vor Interessen rückwärtsgewandter Industrien –
Kein Greenwashing der Bioenergie
Brüssel, 14.12.2020 – Am kommenden Freitag endet die Konsultation für den ersten delegierten Rechtsakt der EU-Taxonomie, die sogenannte Klima-Taxonomie. Dieser Prüfrahmen mit detaillierten Kriterien für nachhaltige Investitionen legt fest, inwieweit Wirtschaftstätigkeiten als klimaverträglich bewertet werden können und somit als grüne Investitionen gelten. Ein breites Bündnis von über 130 europäischen Umweltorganisationen, darunter der NABU, sieht in einigen Punkten dringenden Nachbesserungsbedarf und richtet sich daher mit einem Zehn-Punkte-Papier an die Europäische Kommission.
„Allein in Europa werden zusätzlich zwischen 175 und 290 Milliarden Euro jährlich benötigt, um bis 2050 klimaneutral zu werden. Mit ambitionierten Kriterien kann die Klima-Taxonomie ein wichtiger Hebel sein, um riesige Geldsummen aus klimaschädlichen Bereichen abzuziehen und die notwendige Transformation der Wirtschaft zu einer klima- und naturverträglichen Gesellschaft zu finanzieren. Doch diese große Chance ist in Gefahr, wenn sich im Konsultationsprozess das Greenwashing der fossilen Industrie durchsetzt.“, so NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger. „Die EU-Kommission darf nicht vor dem Lobbyismus rückwärtsgewandter Industrien einknicken: Fossile Energieträger, so auch Erdgas, haben keinen Platz in einer grünen EU-Taxonomie.“
Für die Entwicklung der Kriterien hatte die EU-Kommission im Jahr 2018 eine Technische Expertengruppe (TEG) einberufen, die im März 2020 wissenschaftsbasierte und größtenteils sehr begrüßenswerte Kriterien in den Bereichen Klimaschutz und Klimawandelanpassung erarbeitet hat.
„Einige zentrale Empfehlungen der TEG sind im vorliegenden Entwurf der Kommission leider deutlich abgeschwächt. Besonders wichtig ist es, Grenz- und Schwellenwerte für Co2-Emissionen z.B. im Verkehr oder der Energieerzeugung zu definieren und diese in Zukunft schrittweise zu senken. Zudem dürfen Investitionen in Holzbiomasse und Biokraftstoffe nicht durch die Taxonomie als grün gelabelt werden. Auch beim Schutz kohlenstoffreicher Böden und bei der Viehbesatzdichte bedarf es einer Nachschärfung“, so Maja Rotter, NABU-Referentin für Nachhaltige Finanzen. „Positiv zu bewerten sind die Kriterien in Bezug auf die EU-Biodiversitätsstrategie und dem darin enthaltenen Ziel, zehn Prozent der Agrarlandschaft für naturnahe Elemente wie Hecken, Feldgehölze oder Brachen reservieren. Diese binden nicht nur Kohlenstoff, sondern schützen auch die Biodiversität in der Landwirtschaft.“
Hintergrund
Die europäische Taxonomie-Verordnung ist ein Rahmen zur Bewertung der Nachhaltigkeit von wirtschaftlichen Aktivitäten.Sie trat im Juli 2020 in Kraft.
Das Ziel: Investoren, Nationalstaaten und die Europäische Union sollen nachhaltiger investieren, "Greenwashing" soll verhindert werden.
Eine Investition bzw.. die der Investition zugrunde liegende Wirtschaftsaktivität gilt in der Taxonomie als nachhaltig, wenn sie wesentlich zu mindestens einem von sechs Umweltzielen beiträgt („substantial contribution“) und keinen erheblichen Schaden im Sinne der übrigen Umweltziele verursacht („do-no-significant-harm“ - DNSH).
Dazu werden Prüfkriterien (Grenzwerte) für ausgewählte wirtschaftliche Tätigkeiten für sechs Umweltziele definiert: Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung von Umweltverschmutzung, Schutz und Wiederherstellung von Ökosystemen und Biodiversität.
Diese Kriterien müssen solide und ambitioniert sein und auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren, um sicherzustellen, dass die Taxonomie zur Finanzierung der Klima- und Umweltziele der EU beiträgt. Der aktuelle delegierte Rechtsakt zu den Bereichen „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“ wird von der Kommission nach Abschluss der Konsultation Ende dieses Jahres beschlossen. Die Kriterien für die weiteren vier Umweltziele erarbeitet zurzeit die Platform for Sustainable Finance im Auftrag der EU Kommission. Der NABU ist mit seiner europäischen Dachorganisation BirdLife in die Arbeit der Plattform eingebunden. |