Die goldene Herbstzeit ist Apfelzeit. Um viele Sorten aber ist es alles andere als rosig bestellt, nicht nur aufgrund des warmen Winters und frostigen Frühlings, sondern wegen der anhaltenden Verarmung genetischer Vielfalt. Slow Food appelliert an die Politik, die Erzeugerinnen und Erzeuger alter Apfelsorten gezielt zu fördern, um ihren Ansagen zum Erhalt biokultureller Vielfalt Taten folgen zu lassen. Verbraucherinnen und Verbrauchern rät Slow Food zu regionalen Obstsorten statt zu Standardware aus dem Supermarkt.
Die Verarmung der einstigen Apfelvielfalt begann nach dem Zweiten Weltkrieg und erreichte in den 1970er Jahren ihren Höhepunkt. Motor dafür war der Handel; unterstützt durch die Politik, die europaweit Erzeugerinnen und Erzeuger subventionierte, die ihre alten, standortangepassten Hochstämme rodeten und Niederstammanlagen mit modernen Sorten kultivierten. Relevant war nur noch Ware, die sich gut anbauen und handeln ließ, ihr Geschmack kam erst an zweiter Stelle. Der Golden Delicious wurde damals als geeignete genetische Basis für modernes Tafelobst ausgewählt. Man kreuzte ihn mit zahlreichen anderen Apfelsorten und schuf auf seiner Basis das heute gängige Sortiment an Supermarktäpfeln. Mit diesem ‚modernen Obst‘ reduzierte sich die Apfelvielfalt enorm. In den Genuss regional und saisonal wechselnder Sorten kommen nur noch die wenigsten, die direkt Kontakt zu Erzeugerinnen und Erzeugern pflegen. Dazu Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland: „Die prall gefüllten Auslagen der Supermärkte täuschen auch bei Äpfeln über echte Vielfalt hinweg. Farben, Aromen und vor allem kostbares Apfelwissen gehen uns damit verloren. Letzteres aber brauchen wir, damit wir wissen, welche Sorten wir wie am besten nutzen. Denn während einige, einmal vom Baum geholt, sofort gegessen werden sollten, nutzen wir andere zum saften oder trocknen.“
Und mit den hunderten Kilometern ‚Spalierobst‘, so Hudson, gehe natürlich auch die Fülle an Anbausystemen kaputt. Eckart Brandt aus Großenwörden in Niedersachsen gehört zu denjenigen, die alte Apfelsorten erhalten. Er vertreibt Jungbäume und wünscht sich, dass die Politik statt der intensiven Monokulturen den Anbau von hochstämmigen Obstbäumen unterstützt: „Vielfalt findet in Reih und Glied keinen Platz. Wir brauchen einen gewissen ‚Wildwuchs‘, in dem sich auch Bienen und andere Insekten wohl fühlen“, so Brandt. Verbraucherinnen und Verbraucher hofft er - ganz im Sinne von Slow Food – von dem Geschmack alter Sorten zu überzeugen. „Wer einmal wohlschmeckende und markante Apfelaromen auf seiner Zunge hatte, ist er eher bereit, dafür zu kämpfen, dass es sie weiter gibt“, so Brandt. Zu seinen Lieblingen gehört der Finkenwerder Herbstprinz, Passagier in der Arche des Geschmacks von Slow Food. |