Umwelt-, Windenergie- und Gutachterverbände legen Kriterien für gute Artenschutzgutachten vor
Durch mehr Transparenz und einheitliche Methodenstandards soll die Qualität von Artenschutzgutachten für den Bau von Windenergieanlagen oder Straßen gesichert werden.
Stuttgart – Die baden-württembergischen Landesverbände von BUND, NABU, LNV, Bundesverband WindEnergie (BWE-LV BW) und dem Berufsverband Landschaftsökologie (BVDL) haben heute (20.05.) einen gemeinsam Kriterienkatalog für eine gute gutachterliche Praxis vorgestellt. Dieser soll dazu beitragen, bei größeren Planungen, wie dem Bau von Windenergieanlagen oder Straßen, die Qualität der dafür benötigten Artenschutzgutachten durch mehr Transparenz und einheitliche Methodenstandards sicherzustellen.
Den Stein ins Rollen brachte 2017 der von NABU, BUND und LNV vorgestellte „Gutachtencheck“, bei dem eine Auswahl von Artenschutzgutachten als Stichprobe aus verschiedenen Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen überprüft wurden. Das Ergebnis: Bei allen untersuchten Gutachten wurden Abweichungen von den Empfehlungen der Landesanstalt für Umwelt (LUBW) zur Erfassung und Bewertung von Artenvorkommen festgestellt.
Gemeinsame Richtschnur für künftige Artenschutzgutachten
Für die fünf Verbände steht fest: Qualitativ hochwertige Gutachten müssen die Basis jeder Planung sein. Der vorliegende Kriterienkatalog soll für alle künftigen Gutachten eine Richtschnur sein. Er kann dabei helfen, dass der Arten- und Naturschutz ausreichend berücksichtigt wird und professionell erstellte Artenschutzgutachten auch halten, was sie versprechen. Einheitliche Kriterien ermöglichen es, zu bewerten, ob eine Straße, eine Windenergieanlage oder eine neue Gewerbesiedlung gebaut werden kann oder nicht.
Der NABU-Landesvorsitzende Johannes Enssle erklärt dazu: „Egal, ob bei Windenergieanlagen oder im Straßenbau, qualitativ hochwertige Artenschutzgutachten sind der Schlüssel, um sachgerecht beurteilen zu können, inwiefern streng geschützte Arten, wie Rotmilan oder Juchtenkäfer, von einer Baumaßnahme betroffen sind. Nur wenn hier Klarheit herrscht, können Planungen frühzeitig angepasst werden und Konflikte mit dem Artenschutz vermieden werden.“ Christian Oberbeck, Landesvorsitzender des BWE-LV BW, ergänzt: „Beim Bau von Windenergieanlagen sind die Gutachten die Grundlage für die Genehmigung. Wir haben als Windenergiebranche daher ein großes Interesse an hochwertigen und gerichtsfesten Gutachten, denn sie verhelfen nicht nur der Natur zu ihrem Recht, sondern geben uns als Planungsträger auch die notwendige Sicherheit im Verlauf des Verfahrens.“
Einheitliche Vorgaben für Artenschutzgutachten
Für den Bau von Windenergieanlagen gibt es in Baden-Württemberg Empfehlungen der Landesanstalt für Umwelt (LUBW) zur Erfassung und Bewertung von Artenvorkommen, wie beispielsweise von Greifvögeln und Fledermäusen. Eine im Jahr 2017 von den Landesverbänden des NABU, BUND und LNV untersuchte Stichprobe von acht Artenschutzgutachten ergab, dass diese Vorgaben nicht immer eingehalten wurden. „Wir haben bei den untersuchten Gutachten Abweichungen von den staatlichen Empfehlungen zur Kartierung und Bewertung festgestellt“, berichtet der LNV-Vorsitzende Gerhard Bronner.“ Beispielsweise wurden Zählmethoden zur Kartierung von Vögeln und Fledermäusen nicht einheitlich angewandt oder Beobachtungsdaten von Naturschutz-Aktiven vor Ort nicht, oder nur unzureichend, berücksichtigt. Das bedeutet nicht, dass die Windkraftprojekte schlecht für den Naturschutz waren, sondern dass die Gutachten nicht ausreichend aussagekräftig waren.“
Mit dem Kriterienkatalog für eine gute gutachterliche Praxis starteten die drei Verbände eine Qualitätsoffensive und holten mit dem BVDL die Berufsvertretung der Gutachter und mit dem BWE-LV BW die Windenergiebranche ins Boot. So wollen die fünf Verbände gemeinsam für mehr Transparenz sorgen und das Vertrauen in die Gutachten und in die Genehmigungsverfahren wiederherstellen. BVDL-Vorstandsmitglied Hubert Laufer sagt dazu: „Wir Gutachterinnen und Gutachter haben erkannt, dass wir einheitliche Qualitätskriterien für die gutachterliche Praxis brauchen. Nur so können wir eine gemeinsame Grundlage für Transparenz und Qualität schaffen. Der Kriterienkatalog gibt uns dabei eine gute Orientierung und wird helfen, die Standards in der Gutachterbranche weiter zu vereinheitlichen.“
BUND-Landesgeschäftsführerin Sylvia Pilarsky-Grosch führt dazu aus: „Uns alle eint das Ziel, die Energiewende in Baden-Württemberg voranzubringen. Der Artenschutz spielt dabei für die Akzeptanz und das Vertrauen in die Planungsverfahren eine entscheidende Rolle. Nicht nur wir Umweltverbände sind daher auf qualitätsvolle Artenschutzgutachten angewiesen, auch die Bürgerinnen und Bürger sowie Trägerinnen und Träger öffentlicher Belange, wie Kommunen, Wasserversorger und Behörden, brauchen die Gutachten, um sich ein genaues Bild von der Sachlage machen zu können und qualifizierte Stellungnahmen zu den Vorhaben abgeben zu können.“
Die Verbände sehen die Kooperation als richtigen Weg: „Dass sich nun fünf Verbände zusammengetan haben, um Kriterien für einen hohen gutachterlichen Standard auf den Weg zu bringen, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Wir leisten damit einen wichtigen Beitrag, um Konflikte bei Planungsvorhaben von vornherein zu vermeiden.“ Der Katalog sei nicht auf die Windenergiebranche beschränkt, sondern könne problemlos auf andere Planungsbereiche, wie den Städte- und Straßenbau, übertragen werden. Sie wollen die Kriterien auch bundesweit vorstellen und in die Diskussion bringen.
Infobox:
Den Kriterienkatalog zur Gutachtenpraxis und weitere Infos finden Sie auf den Seiten der Verbände.
Der Weg zum Kriterienkatalog
Als ersten Schritt zur Erarbeitung des Kriterienkatalogs hatte das Beratungsunternehmen IFOK im Auftrag der Verbände mit verschiedenen Interessengruppen Interviews geführt. Nach einem speziell entwickelten Fragenkatalog wurden Ehrenamtliche aus dem Naturschutz, Verantwortliche der Genehmigungsbehörden, der höheren Naturschutzbehörden, der Windenergiebranche sowie Gutachterinnen und Gutachter nach ihren Erfahrungen aus der Praxis befragt. Auf Basis der Interviewergebnisse erarbeiteten die fünf Verbände einen Entwurf, den sie auf einem ganztägigen Workshop mit Vertreterinnen und Vertretern aus Umweltverbänden, Verwaltung, Wirtschaft, Kommunen und Gutachtern diskutierten und ergänzten.
Inhalte des Kriterienkatalogs
In den Kriterien zur Gutachtenpraxis geht es um die Einhaltung rechtlicher Vorgaben und landesspezifischer Methodenempfehlungen. Weiteres Ziel ist mehr Transparenz in der Dokumentation und ein nachvollziehbarer Umgang mit den selbst erhobenen Daten und mit den Daten von Dritten, wie beispielsweise örtlichen Artenexperten und Fachverbänden im Fledermaus- oder Greifvogelschutz. Außerdem werden Anforderungen zur Qualifikation und Weiterbildung der an der Gutachtenerstellung beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gestellt. Die Qualitätskriterien sind ein Hilfsmittel für alle, die Gutachten erstellen und Projekte entwickeln, aber auch für Ehrenamtliche aus dem Naturschutz sowie Anwohnerinnen und Anwohner. |