Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft
Die Zusammenarbeit von Wohnprojekten und Wohnungsgenossenschaften*¹ mit Energiegenossenschaften fördert ein Wiederaufleben der dezentralen Energiewende. In Freiburg zeigen das Wohnprojekt schwereLos aus dem Verbund des Mietshäuser Syndikats und die Solar-Bürger-Genossenschaft in einem Pilotprojekt, wie das zum Nutzen beider geht.
Die 2006 in Freiburg gegründete Solar-Bürger-Genossenschaft gehört zu den drei ersten neuen Energieproduktionsgenossenschaften in Deutschland. Mit rund 200 Mitgliedern ist sie eine kleine bis mittelgroße Energiegenossenschaft. Die Mitglieder haben knapp 2.300 Anteile zu je 100 Euro gezeichnet. Die Genossenschaft betreibt acht Solarstromanlagen und ein Blockheizkraftwerk mit einer installierten Leistung von zusammen 693 kW und einem Jahresertrag von ca. 710 MWh. Ziel ist es, die dezentrale Energiewende in Bürgerhand aktiv durch soziale und technische Innovationen wie Mieterstromprojekte*² und Bürger-Öko-Strom zu fördern.
Aktiv bei Mieterstromprojekten
Erstes Mieterstromprojekt der Solar-Bürger-Genossenschaft ist ein BHKW-Projekt. Strom und Wärme werden in einem Mehrfamilienhaus mit 46 Wohneinheiten in Gundelfingen erzeugt und dort an die Bewohner geliefert. Die Inbetriebnahme des 16-kW-Blockheizkraftwerkes mit Installationskosten von ca. 70.000 Euro erfolgte Ende 2013. Es erzeugt 70.000 Kilowattstunden Strom im Jahr. Der wird für die beteiligten Wohnungseigentümer oder ihre Mieter etwas preiswerter als vom lokalen, sehr kooperativ agierenden Energieversorger angeboten.
Ende November 2017 wurde ein Mieterstromprojekt mit Solarstrom unter den Konditionen des Mieterstromgesetzes installiert. Partner ist das Wohnprojekt schwereLos GmbH des Mietshäuser Syndikats, ein Projekteverbund von 125 Hausprojekten, die autonom organisiert sind. Die Mitglieder besitzen ihre Immobilie rechtlich selbstständig mit einem eigenen Unternehmen, können diese aber nicht am Markt verkaufen.
Die sozialpolitische Ausrichtung von schwereLos beeindruckt. Ein großer Teil des Wohnraums gilt Gruppen, denen auf dem freien Wohnungsmarkt Vorurteile begegnen: Es gibt eine große Wohnung für eine Flüchtlingsfamilie und zwei kleinere für Menschen, die von der „Freiburger Hilfsgemeinschaft e.V.“ und von „FreiRaum - Hilfen für Frauen in Wohnungsnot“ betreut werden. Es sind 19 Wohnungen auf 1.700 m², 13 davon nach dem Landeswohnraumförderprogramm*³. Jetzt Im Mai 2018 ziehen die ersten Mieter ein. Insgesamt werden hier etwa 60 Menschen Platz finden. Vorgabengemäß wird eine Kita auf 580 m² von der örtlichen Diakonie betrieben werden. Im Erdgeschoss entsteht ein Gemeinschaftsraum auch für andere Bewohner des neuen Stadtteils.
Ausrichtung an den Eigenverbrauch
Eine Energieversorgung mit einem BHKW konnte nicht umgesetzt werden, da mit der Baugenehmigung ein Zwangsanschluss an ein Fernwärmenetz verbunden war. So erfolgt ein Teil der Ökostromversorgung nun über Photovoltaik, installiert auf dem Dach des Wohnprojekts. In Betrieb genommen wurden im September 2017 circa 27 kWp mit Ost-West-Aufstellung und 10° Neigung. So wird die Dachfläche besser ausgenutzt als bei Südausrichtung und es gibt abends und morgens, zu den üblichen Nutzungszeiten im Wohngebäude, auch etwas länger Strom von der Solaranlage. Weil die Ertragskurve über den Tag etwas flacher verläuft, entlastet diese Aufständerung auch die Netze mittags ein wenig. Die Solarausbeute wäre bei Südausrichtung höher. Installiert wurde auf einem Flachdach mit Extensivbegrünung*4. Das Gestell steht frei auf der Substratoberfläche*5, ohne Dachdurchdringung und Kontakt zur Dachhaut. Da es ein Neubau ist, konnte das Solarkabel vom Solarmodul zum Wechselrichter in den Versorgungsschacht im Haus mitverlegt werden. Auch der Netzanschluss ist im vorhandenen Zählerschrank eingebaut. Dort ist Platz für Sicherungsautomaten und den Zweirichtungszähler*6.
Aktuelles Mieterstromgesetz genutzt
Das Mieterstromgesetz sieht vor, dass jeder Bewohner den Energieversorger selbst wählen kann. Das Wohnprojekt von schwereLos hat genossenschaftlichen Charakter. So versteht sich die Suche nach dezentralen, umweltfreundlichen Lösungen von selbst. Entsprechend entschieden sich die Bewohner in der Bauplanungsgruppe für eine gemeinsame Ökostromversorgung durch die Solar-Bürger-Genossenschaft.
Die tritt als Gesamtversorger auf und bezieht den Reststrom über ihren Kooperationspartner, die Bürgerwerke eG, eine Sekundärgenossenschaft von über 80 dezentral agierenden Energiegenossenschaften. Für den Vorstand der Solar-Bürger-Genossenschaft ist die Zusammenarbeit mit schwereLos “der Beginn einer wunderbaren Freundschaft“, die sich in weiteren Kooperationen fortsetzen soll.
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*¹ Was ist eine Genossenschaft?
Eine Genossenschaft ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung von nicht geschlossener Mitgliederzahl, deren Zweck darauf gerichtet ist, zum Wohle ihrer Mitglieder zu agieren. Sie ist demokratisch organisiert, indem jedes Mitglied unabhängig von seinen Anteilen nur über eine Stimme verfügt. Gründungsvoraussetzungen sind mindestens drei Mitglieder und die Festlegung einer Satzung.
*² Was ist Mieterstrom?
Mieterstrom ist lokal produzierter Strom, der Mietern angeboten wird. Er muss in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Mietobjekt produziert werden und darf die öffentlichen Netze nicht nutzen. Durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz von 2016 wird seit 2017 ein Zuschuss für Mieterstrom gezahlt.
*³ Was ist das Landeswohnraumförderprogramm?
Es fördert Bau, Erwerb und Ersatzneubau von Mietwohnungen und ist die einzige öffentliche Förderung des sozialen Mietwohnungsbaus.
*4 Was ist Extensivbegrünung?
Der Begriff kommt aus der Landwirtschaft und meint die Begrünung großer Flächen mit geringem Aufwand, beispielsweise mit Moosen.
*5 Was ist ein Substrat?
Ein Substrat ist das Grundmaterial, das den Boden bildet.
*6 Was ist ein Zweirichtungszähler?
Das ist ein Stromzähler, der in das Netz eingespeisten und vom Netz bezogenen Strom zählt. |