Krüger: Bei den pauschalen Abständen zur Wohnbebauung ist für den Naturschutz noch nachzubessern, dann sind wir auf einem guten Weg
Berlin, 9.6.22 - Die Bundesregierung plant, das Wind-an-Land-Gesetz vorzulegen. Darin soll geregelt werden, wie zwei Prozent der Bundesfläche für die Windenergie auf die Länder verteilt werden sollen. Der jetzt bekannt gewordene Entwurf hat damit das Potenzial, den Ausbau der Windenergie durch den Fokus auf die Auswahl konfliktarmer Flächen naturverträglich auszugestalten und zu beschleunigen. Dafür muss aber noch nachgearbeitet werden.
NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger kommentiert: “Wir brauchen mehr Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren, vor allem der Windenergie. Der Standort, an dem Anlagen gebaut werden, ist entscheidend für die Frage, ob es zu Konflikten mit dem Naturschutz kommt. Sensible Naturbereiche und wertvolle Lebensräume sollten bei der Flächenauswahl tabu sein. Der vorgelegte Gesetzesentwurf ist grundsätzlich ein guter Ansatz. Jetzt gilt es, den Naturschutz bei der Frage der Umsetzung des 2-Prozent-Ziels maßgeblich zu berücksichtigen. Auch in den kommenden Jahren sollen in einigen Bundesländern pauschale Abstandsregelungen zur Wohnbebauung gelten, die die Windparks in natursensible Bereiche verschieben - die Natur zahlt dann einen hohen Preis für die Energiewende. Hier müssen die Länder stärker in die Pflicht genommen und die pauschalen Abstände auf die für den Lärmschutz wichtigen Abstände eingekürzt werden. Angesichts der fortschreitenden Naturkrise brauchen wir hier Lösungen im Einklang mit der Natur.”
Zum Hintergrund
Viele der derzeit diskutierten Gesetzesvorhaben dienen dem Klimaschutz und sollen die Energiewende beschleunigen. Dabei fehlt eine ausgewogene Berücksichtigung der Schutzinteressen der Natur. Die Zwillingskrisen von Natur und Klima können jedoch nur gemeinsam und nicht gegeneinander gelöst werden. Die Bekämpfung beider Krisen muss im überragenden öffentlichen Interesse liegen.
Mit dem Entwurf eines Wind-an-Land-Gesetzes regelt die Bundesregierung erstmals die Frage, wie die Bundesländer dazu gebracht werden können, zwei Prozent der Fläche für den Ausbau der Windenergie bereitzustellen. Durch eine gezielte Steuerung, welche Flächen für die Windenergie genutzt und welche frei bleiben sollten, können Konflikte zwischen der Windenergie und dem Naturschutz frühzeitig minimiert oder ganz vermieden werden. Entscheidend ist dabei, dass naturschutzfachlich sensible Bereiche vom Ausbau freigehalten werden. Wichtig an dem Entwurf ist deshalb der Ansatz, dass Windenergieanlagen im Regelfall nicht mehr außerhalb der ausgewiesenen Flächen errichtet werden können, wenn ein Land den im Gesetz festgelegten Flächenwert erreicht. Diese Regelung hat das Potenzial, den Ausbau der Windenergie wirksam räumlich zu steuern. Zu einer besseren räumlichen Steuerung trägt auch der Ansatz bei, dass der Bau von Windenergieanlagen auf ausgewiesenen Flächen einen Vorrang besitzen soll. Die jetzt vorgeschlagene Regelung ließe aber bei einem Nichterreichen der Flächenziele durch die Bundesländer einen Ausbau der Windenergie überall und stets mit einer baurechtlichen Privilegierung zu. Die steuernde und konfliktreduzierende Wirkung entfiele somit. Der Erfolg des Ansatzes und die Frage, ob eine naturverträgliche Flächenplanung möglich ist, hängt also von dem Willen der Länder ab, ausreichend Flächen auszuweisen.
Eine naturverträgliche Flächenausweisung kann auch nur dann erfolgen, wenn die verfügbaren Flächen nicht künstlich verknappt werden. Ein Grund dafür sind pauschale Abstände zur Wohnbebauung. Den Schutz der Anwohner*innen vor Lärm und Schattenwurf regelt das Bundesimmissionsschutzgesetz mit Grenzwerten, die nicht überschritten werden dürfen. Windenergieanlagen werden also nicht direkt neben ein Wohngebiet gebaut, sondern müssen ohnehin ausreichend Abstand einhalten. Zusätzliche pauschale Abstände, wie die 1.000m-Regel in NRW, bieten für die Anwohner*innen keinen zusätzlichen Schutz. Gleichzeitig wird der Bau der Windparks aber weiter in den Naturraum hinein verschoben, wodurch sich die Konflikte mit dem Naturschutz erhöhen. Diese pauschalen Abstände zur Wohnbebauung müssen im Wind-an-Land-Gesetz deshalb komplett abgeschafft werden. Die jetzige Regelung, die Abstände dann auszusetzen, wenn die Flächenziele nicht erreicht werden, reicht für eine naturverträgliche Energiewende nicht aus. Denn zu einer Verschiebung in sensible Naturräume kommt es dadurch trotzdem.
Mit mehr als 875.000 Mitgliedern und Fördernden ist der 1899 gegründete NABU der älteste und mitgliederstärkste Umweltverband Deutschlands. Der NABU engagiert sich für den Erhalt der Lebensraum- und Artenvielfalt, den Klimaschutz sowie die Nachhaltigkeit der Land-, Wald- und Wasserwirtschaft. Zu den zentralen NABU-Anliegen gehören auch die Vermittlung von Naturerlebnissen und die Förderung naturkundlicher Kenntnisse. |