Kowalski: Keine Pestizide mehr im Wald einsetzen, Flächen aus der Nutzung nehmen, Biodiversitätsforschung fördern
Berlin – Seit der weltweit beachteten „Krefelder Insektenstudie“ ist bekannt, dass der Bestand an Fluginsekten selbst in Naturschutzgebieten in den letzten 30 Jahren um 70 Prozent zurückgegangen ist. Eine jetzt im Fachmagazin „Nature“ erschienene Studie eines internationalen Forscherteams zeigt, dass auch im Wald die Insektenmasse allein in den Jahren 2008 bis 2017 um 41 Prozent und die Vielfalt der Arten um 36 Prozent zurückgegangen ist. Die Forscher stellten fest, dass vorwiegend Insektengruppen schwanden, die weite Strecken zurücklegen. Sie vermuten eine Wechselwirkung zwischen der umgebenden Landwirtschaft und dem Lebensraum Wald.
Der NABU nimmt die Forschungsergebnisse sehr ernst und fordert Insekten-Schutzprogramme auch für den Wald. „Dabei darf es nicht nur um Einzelinitiativen handeln – wir brauchen eine völlig andere Naturschutz- und Waldnutzungspolitik“, fordert Heinz Kowalski, waldpolitischer Sprecher des NABU. Vor allem der Staatswald, aber auch der Gemeinde- und Kirchenwald müssten sofort beginnen, keinerlei Pflanzenschutzmittel mehr einzusetzen. Kowalski: „Außerdem müssen wir insgesamt zehn Prozent der Wälder aus der wirtschaftlichen Nutzung nehmen und möglichst viele natürliche Strukturen auch im Wirtschaftswald erhalten und fördern. So gewährleisten wir eine hohe Vielfalt an potenziellen Lebensräumen für Insekten.“
Die Situation des Waldes in Deutschland schätzt der NABU als sehr kritisch ein. Von der Temperaturerhöhung und den immer noch bestehenden Nadelholz-Monokulturen haben in den vergangen Jahren einige spezialisierte Insektenarten wie der Fichtenborkenkäfer oder die Nonne profitiert. Um diese naturfernen Forste gegen diese Massenvermehrung zu schützen, werden sie meist mit Kontakt- und Nervengiften behandelt. Keines der eingesetzten Pestizide wirkt dabei ausschließlich selektiv. Es werden immer auch Insekten geschädigt, die nicht Ziel eines Gifteinsatzes sind. Kurz- und langfristig werden die komplexen Waldökosysteme so durcheinander gebracht.
„Wenn wir jetzt nicht sofort handeln, haben wir bald im Wald die gleiche schlechte Situation wie in den landwirtschaftlichen Flächen“, so Kowalski „Wir brauchen die Insekten als Bestäuber und als Teil eines vielfältigen Netzwerks um langfristig stabile Ökosysteme gerade im Rahmen des Klimawandels zu fördern.“
Um mehr Erkenntnis zum ökologischen Zustand der Wälder und der Entwicklung der Insektenvielfalt im Wald zu bekommen, fordert der NABU bereits seit vielen Jahren, dass neben den Vögeln auch Insekten und Pilze in das bundesweite Biodiversitätsmonitoring aufgenommen werden, zum Beispiel bei der alle zehn Jahre stattfindenden Bundeswaldinventur. |